Von den Autoren des TBD-Klassifikationsschemas
Smartphone, Tablet, Laptop und Personalcomputer sind zu gewohnten Arbeitsmitteln in unserem Alltag geworden. Nicht nur beruflich, auch privat und in der Freizeit sind sie aus der modernen Welt kaum wegzudenken. Information, Kommunikation und Netzwerke haben sich auf Displays verlagert. Bis vor einigen Jahren gab es noch den typischen Bildschirmarbeitsplatz und den „Bildschirmarbeiter“, heute ist nahezu jeder – von jung bis alt – mit digitalen Endgeräten konfrontiert. Obwohl einiges durch Digitalisierung und Vernetzung erleichtert wird, wird seit Einführung der Personalcomputer in der Arbeitswelt eine damit einhergehende Gesundheitsgefährdung diskutiert, die auch in vielen Studien nachgewiesen werden konnte. Den Standard-Bildschirmarbeitsplatz gibt es kaum mehr und auch Ergonomie ist individueller denn je zu verstehen.
Die Vielfalt von Multi-Screen-Arbeitsplätzen, 3D-Anwendnungen, Head-Displays und mobilen Technologien erfordert einen neuen Blick auf den Umgang mit digitalen Endgeräten – auch und insbesondere unter Berücksichtigung des demografischen Wandels. Täglich sitzen die Menschen mehrere Stunden an einem digitalen Bildschirm oder Display, oft nicht nur während der Arbeitszeit sondern weit darüber hinaus. Selten wird darüber nachgedacht, dass der menschliche Körper für diesen Dauerzustand nicht gemacht ist. Häufig kommt es auf das nicht-physiologische Verhalten durch das bewegungslose Starren auf Displays zu Reaktionen unseres Körpers und letztlich zu neuen vereinseitigenden Anpassungen des Organismus wie z.B. Haltungsstörungen oder die Entwicklung einer Myopie. Der Gegensatz von physiologischer Realität und Leben in der digitalen Welt wird immer größer. Hier sind neue interdisziplinäre Konzepte und Lösungen gefragt, um einen an physiologische Gegebenheiten angepassten, belastungs- und beschwerdearmen Umgang mit digitalen Endgeräten zu ermöglichen.
Um den individuellen Arbeitsplatz und die daraus resultierenden Anforderungen zu beschreiben, haben wir ein Klassifikationsschema entwickelt, dass an der Vielfalt der Tätigkeiten an Bildschirmen und Displays ansetzt. Es soll der Vereinheitlichung der Bezeichnungen bei einer individuellen Spezifikation der Tätigkeiten an Bildschirmen und Displays dienen. Diese Einordnung und Beschreibung kann sowohl von den Betroffenen selbst als auch zum Beispiel von Betriebsärzten oder Mitarbeitern für Arbeitssicherheit erfolgen. Ziel ist es, ein individuelles und strukturiertes Anforderungs- und Gefährdungsprofil zu erstellen, auf dem Präventionsmaßnahmen als auch weitere Diagnostik und Therapie durch unterschiedliche Disziplinen erfolgen kann. Beispielsweise werden Haltungsanforderungen definiert, die in der weiteren Diagnostik und Therapie der Arbeitsphysiologie entscheidend sein können. Auch werden durch Sehabstände und -positionen, Displaybeschreibungen u.a. für einen Augenarzt, Augenoptiker/Optometristen definiert, um das optometrische Management ideal auf die Tätigkeiten an Bildschirmen und Displays abzustimmen wie z.B. modifizierte Korrektionen oder vision training/therapy.
Durch die Klassifikation werden für den Betroffenen selbst sowie für alle Gesundheitsdienstleister die Tätigkeiten an Bildschirmen und Displays beschreibbarer und einfacher kommunizierbar. Daraus ergibt sich eine „einheitliche Sprache“, die verschiedene Fachrichtungen sprechen. Auf dem Schema aufbauende Handlungs- und Gestaltungsvorschläge geben eine auf das Individuum und den Arbeitstypus spezifizierte Möglichkeit der Prävention, Intervention und Rehabilitation, welche weit über die unspezifische Beschreibung „Bildschirmarbeitsplatz“ hinausgehen.
Insbesondere die Komplexität und Individualität der Anforderungen an das visuelle und das Haltungssystem sollen aufgezeigt werden. Denn sowohl für Prävention als auch für Rehabilitation ist deren Kenntnis und Berücksichtigung in Forschung und Praxis unabdingbar.
Nutzen Sie die Informationen für Ihre tägliche Arbeit sowie für eine effektive Beratung und Versorgung Ihrer Kunden, Patienten und Rehabilitanden.
Weimar und Jena, 2020
Egbert Seidel und Stephan Degle