In der heutigen Zeit spielt sich ein Großteil unseres Lebens in künstlich ausgeleuchteten Innenräumen oder in infrastrukturell gut ausgebauten und beleuchteten Außenräumen ab. Betrachtet man Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wird außerdem deutlich, wie sehr die Displaytechnologie in allen Bereichen unseres Lebens Einzug genommen hat. 84 % der Deutschen benutzen täglich einen Computer, ein Smartphone oder ein Tablet-PC (Statistisches Bundesamt, 2012). Die Folge ist, dass wir oft, entgegen des natürlichen Lichtrhythmus‘, bis in die späten Abendstunden einer hohen Exposition an Licht ausgesetzt sind, welches von Kunstlichtquellen erzeugt wird. Diese Kunstlichtquellen sind in sämtlichen Außen- und Innenraumleuchten, wie zum Beispiel in Autoscheinwerfern oder in den bereits erwähnten Displays zu finden. Die in den Displays integrierten Hintergrundbeleuchtungen bestehen aus (cold cathode fluorescent lamps = Leuchtstoffröhren) oder Weißlicht-LEDs. Diese Lampen strahlen, ähnlich wie Energiesparlampen, Licht mit einem ausgeprägten Blauanteil aus (siehe Abb. 1).
Biologische Wirkung blauen Lichtes (circadianer Rhythmus)
Neben der Erzeugung eines Bildes (Abb. 2, grüne Bahn) hat Licht auch eine Zeitgeberfunktion für den Körper. Durch die Hemmung der Melatoninproduktion[ref]Melatonin = Hormon, welches den Tag-Nacht-Rhythmus steuert)[/ref] in der Zirbeldrüse (Abb. 2, blaue Bahn) sorgt Licht am Tag für Wachheit und Aktivität und trägt somit entscheidend zum Tag-Nacht-Rhythmus, dem circadianen Rhythmus bei.
Nicht das komplette Spektrum weißen Lichtes ist für dessen Zeitgeberfunktion verantwortlich. Nur Licht der Wellenlängen 380 nm – 600 nm erzielt eine Unterdrückung von Melatonin, wobei kurzwelliges blaues Licht im Wellenlängenbereich um 490 nm den größten Effekt ausübt. Das bedeutet, dass die melatoninunterdrückende Wirkung steigt, je höher der Blauanteil im Spektrum einer Lichtquelle ist. Da eine Erhöhung des Blaulichtanteils mit der Erhöhung der Farbtemperatur[ref]Farbtemperatur, angegeben in Kelvin (K), beschreibt die Lichtfarbe einer Lichtquelle – je höher die Farbtemperatur, um so blauer (kälter) wirkt das Licht[/ref] von Licht einhergeht, kann gesagt werden, dass Licht mit hohen Farbtemperaturen jenes ist, welches Einfluss auf den circadianen Rhythmus nehmen kann. So ist zum Beispiel das Licht einer tageslichtweißen LED (6000 K) hinsichtlich seiner melatoninunterdrückenden Wirkung deutlich wirksamer als das einer warmweißen LED (3000 K). (DIN V 5031-100, 2009/2014)
Studienergebnisse bestätigen, dass die Exposition mit blauem Licht einen signifikanten Einfluss auf die Melatoninunterdrückung und somit auf den Schlafrhythmus hat. (Wahnschaffe et al., 2013) (Grandner et al., 2013) (West et al., 2011)
Aus einer weiteren Studie ging hervor, dass blauangereichertes Licht bei der Büroarbeit eine signifikant bessere Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit, eine geringere Reizbarkeit und eine bessere Konzentration erzielt (Viola et al., 2008). Außerdem scheint blaues Licht einen starken Einfluss auf emotionale Prozesse des Gehirns zu haben (Vandewalle et al., 2010).
Resultierend kann gesagt werden, dass Licht mit einem hohen Blaulichtanteil (beispielsweisen von einer tageslichtweißen LED ausgestrahlt) tagsüber eine sehr positive Wirkung auf die menschliche Leistungsfähigkeit hat, in den Abendstunden jedoch vermieden werden sollte, um einen gesunden Schlafrhythmus zu wahren (alternativ warmweiße Lichtquellen oder Filtergläser für die Bildschirmtätigkeit).
Einfluss blauen Lichtes auf die Qualität der optischen Abbildung
Resultierend aus der Dispersion weißen Lichtes an den Medien des Auges, entsteht die chromatische Aberration[ref]Abbildungsfehler an optischen Linsen – aus der Fotografie bekannt (farbiger Randsaum am Fotomotiv)[/ref]. Die chromatische Aberration ist ein Abbildungsfehler, unterteilt in Farblängs- und Farbquerfehler. Da kurzwelliges (blaues) Licht stärker gebrochen wird, als langwelliges Licht, liegen im Auge gleichzeitig verschiedene Schärfenebenen vor.
Außerdem kann die optische Abbildung auch durch Streulicht negativ beeinflusst werden. Eine Streuung sichtbaren Lichtes an sehr kleinen Teilchen (d<<λ) wird als Rayleigh-Streuung bezeichnet. In der Formel der Rayleigh-Streuung (IStreu = λ^(-4)) ist abzulesen, dass diese von der Wellenlänge des Lichtes abhängig ist. Der kurzwellige Blaulichtanteil (~ 400 nm) wird zehnmal mehr gestreut als der langwellige rote Teil (~ 700 nm). (Pedrotti, 2005)
Trifft Streulicht auf das Auge, überlagert es sich auf der Netzhaut zur äquivalenten Schleierleuchtdichte. Die äquivalente Schleierleuchtdichte ruft physiologische Blendung hervor[ref]Blendung, welche eine messbare Beeinträchtigung der Sehleistung hervorruft – abzugrenzen von der psychologischen Blendung[/ref] und reduziert wahrnehmbare Kontraste. Schlussfolgernd trägt kurzwelliges blaues Licht die meiste Verantwortung für physiologische Blendung und die damit einhergehende herabgesetzte Kontrastwahrnehmung. Manche Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Kontrastempfindlichkeit[ref]Maß zur Wahrnehmung des Kontrastsehvermögens – je niedriger der kleinste wahrnehmbare Kontrast ist, desto höher ist die Kontrastempfindlichkeit[/ref] mit Blaulicht-filternden Intraokularlinsen[ref]kurz IOL = künstliche Linse im Auge[/ref] signifikant besser ist, als mit Kontroll-Intraokularlinsen. Als Erklärungsansatz gilt die Reduktion der longitudinalen chromatischen Aberration beim Einsatz gelber IOLs. (Negishi et al., 2001) (Cristόbal et al., 2005). In einer anderen Studie konnte keine Erhöhung der Kontrastempfindlichkeit durch gelbe IOLs bestätigt werden (Kara-Junior et al., 2011).
Blaulicht-induzierte Netzhautschädigung
Die Ergebnisse verschiedener in-vitro-Studien[ref]Studien in kontrollierter künstlicher Umgebung außerhalb eines lebenden Organismus[/ref] zeigen, dass eine dauerhafte Exposition sichtbaren blauen Lichtes eine schädigende Wirkung auf die Netzhaut hat. (Gendron et al., 2013) (Ito et al., 2013) (Rassaei et al., 2012) (Knels et al., 2011) (Roehlecke et al., 2011).
Bei der Blaulicht-induzierten Netzhautschädigung scheint das Vorhandensein des fluoreszierenden Lipofuszins A2E[ref]toxische Vitamin A-Unterform – als gelblich-weiße Ablagerungen am Augenhintergrund sichtbar[/ref] eine wesentliche Rolle zu spielen. RPE-Zellen[ref]RPE = Retinales Pigmentepithel – Netzhautschicht, die der Photorezeptorenschicht benachbart ist[/ref] älterer Menschen beinhalten viel A2E und sind somit laut einiger Studien gegenüber Blaulicht-induzierter Zellschädigung empfindlich. (Sheng et al., 2007) (Sparrow et al., 2000) (Meyers et al., 2004) Auch die Altersabhängige Makuladegeneration[ref]kurz AMD = altersabhängige Erkrankung des Auges, welche die Macula lutea („der Punkt des schärfsten Sehens“) der Netzhaut betrifft und mit einem allmählichen Funktionsverlust der dort befindlichen Gewebe einhergeht (= Sehverlust)[/ref] wird mit der Langzeitbestrahlung blauen Lichtes in Zusammenhang gebracht (Meyers et al., 2004) (Gendron et al., 2013).
Der steile Anstieg der toxischen Wirkung von blauem Licht (400 nm – 500 nm) auf die Netzhaut wird als „Blue hazard“ oder „Blue light hazard“ bezeichnet. Bei einer Wellenlänge von 440 nm ist die Sensitivität der Netzhaut gegenüber photochemischem Stress maximal. (Hünig, 2008)
Über die Schädigung des Blaulichtanteils von polychromatischem Licht auf eine Netzhaut im lebenden Auge von Menschen (in-vivo) gibt es (bisher) keine gesicherten Erkenntnisse.
Zusammenfassung
Blaues Licht hat als Zeitgeber eine essentielle Funktion für den menschlichen Körper. Steht es zur richtigen Tageszeit in angemessenen Mengen zur Verfügung, wirkt es sich sehr positiv auf Attribute wie Leistungsfähigkeit und Konzentrationsvermögen aus. So ist es beispielsweise im Sonnenlicht in den Mittagsstunden stärker und in den Abendstunden schwächer vertreten, im Vergleich zum Rotlichtanteil. Der tageszeitenunabhängige kontinuierliche hohe Blaulichtanteil mancher Kunstlichtquellen (z.B. Weißlicht-LEDs) könnte hingegen bezüglich des circadianen Rhythmus‘, der visuellen Leistung und einer eventuellen Netzhautschädigung problematisch sein, auch oder gerade weil bei der Lichtexposition einiger künstlicher Lichtquellen, wie einem Display, natürliche Schutzreflexe, wie das Blinzeln, vergessen beziehungsweise unterdrückt werden.
Zur Vermeidung von zu viel blauem Licht, zum Beispiel in den Abendstunden, ist der Einsatz von warmweißen Lichtquellen (Farbtemperatur < 3300 K) oder die Nutzung von Filtergläsern (gelb) bei der Bildschirmarbeit ein Lösungsansatz.
Quellen
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- DIN V 5031-100: Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik – Teil 100. Über das Auge vermittelte, nichtvisuelle Wirkung des Lichts auf den Menschen. 2009/2014.
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